Keine Massenflucht aus den Vereinen
Entgegen der Befürchtungen sind nicht mehr Mitglieder als sonst aus den Clubs ausgetreten – zumindest im Raum Vaihingen.
Die Corona-Pandemie hat das gesellschaftliche Leben auf den Kopf gestellt. Der erste Fall in Deutschland wurde im Januar 2020 bestätigt. Nicht einmal drei Monate darauf kam es zum ersten Lockdown. Das gesellschaftliche und kulturelle Leben stand von einem Tag auf den anderen praktisch still. Der Einzelhandel, Friseure, Gaststätten, Kinos, Museen, aber auch Sporteinrichtungen wie Fitnessstudios und Sporthallen mussten schließen.
Für den Breitensport eine ziemliche Herausforderung. Training, das immer für selbstverständlich gehalten wurde, war plötzlich nicht mehr möglich – leiden mussten darunter auf der einen Seite die Sportbegeisterten, auf der anderen Seite aber auch die Vereine, die vor die Herausforderung gestellt waren, wie sie ihre Mitglieder bei der Stange halten konnten. Schnell wurde das Schreckgespenst an die Wand gemalt, dass die Clubs Mitglieder im großen Stil verlieren könnten.
Dies hat sich im Raum Vaihingen allerdings nicht bewahrheitet. Die Handballer des HC Metter-Enz haben nur rund drei Prozent ihrer Mitglieder verloren, rechnet der Sportliche Leiter des HCME, Matthias Schwarz, vor. Bei der Spielgemeinschaft des TV Vaihingen und des TV Großsachsenheim gab es vor allem zwei kritische Altersgruppen: Einmal die ganz „Kleinen“ (Schwarz), bei denen es schwierig war, die Kinder über Online-Plattformen wie beispielsweise Zoom zu erreichen, oder eben die „pubertäre Altersgruppe“ (Schwarz), die auch schnell das Interesse verliert und sich anderen Aktivitäten abseits des Sportvereins zuwendet. Im Aktivenbereich sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, gab es hingegen keinerlei Mitgliederschwund. „Diejenigen, die schon langfristig dabei sind, bleiben auch“, versichert Schwarz.
Auch bei den Faustballern des TV Vaihingen hätte es schlimmer aussehen können: „Die Austritte waren im normalen Rahmen“, sagt Markus Knodel, der Sportliche Leiter. „Nur die Eintritte in den Verein wurden weniger.“
Noch glimpflicher ist die SGM Vaihingen-Süd, die Spielgemeinschaft des TSV Enzweihingen, des VfB Vaihingen und des TSV Aurich im Jugendfußball, davongekommen. Nimmt man die Zahlen aller drei Vereine, gab es genauso viele Kündigungen wie Neueintritte. Mittlerweile kann sogar ein Aufschwung attestiert werden: „Es füllt sich langsam wieder. Die Anfragen für Schnuppertrainings werden immer mehr“, analysiert Anja Ackermann, Jugendkoordinatorin der SGM. Dies hänge sicherlich auch mit der Zusammenarbeit zwischen der Stadt Vaihingen und der SGM zusammen, „wodurch Flüchtlingskinder in den Sportvereine integriert werden sollen.“
Beim TV Sersheim zieht der Vorsitzende Christian Babies ebenfalls ein eher positives Resümee: „Statistisch gesehen gab es nicht mehr Schwund. Allerdings bleibt es aufgrund unserer Kündigungsfrist im September abzuwarten, wie es sich bis zum Jahresende entwickelt.“ Gründe für die Treue der Turner im Jugendbereich sind für ihn, dass die Mitglieder „verbundener“ seien.
Die Sersheimer haben für ihre Nachwuchsathleten aber auch viel angeboten. Im Geräteturnen in den Trainingsgruppen der Sechs- bis Neunjährigen und der Zehn- bis 14-Jährigen wurden regelmäßig Übungseinheiten angeboten, die darauf abzielten, dass die Grundelemente wie die Fitness und die Beweglichkeit nicht zu nachlassen – auch in der Zeit, in der Turnen an den Geräten nicht möglich war. „Diese Programme wurden gut angenommen“, attestierte Babies. Als das Training nach dem Lockdown aufgrund der Personenbegrenzungen nicht mit der gesamten Trainingsgruppe möglich war, haben die Übungsleiter die Gruppen aufgeteilt, um so vielen Turnern wie möglich eine Trainingsmöglichkeit zu bieten.
Auch Schwarz lobt vor allem für die Phase des Winterlockdowns das Engagement der HCME-Übungsleiter. „Ich habe Hochachtung vor dem, was die Trainer im Jugendbereich geleistet haben“, sagt der Sportliche Leiter des HC Metter-Enz. In Laufchallenges und verschiedenen Trainingsformaten haben die Übungsleiter der Spielgemeinschaft ihrer Kreativität freien Lauf gelassen, um vor allem die Nachwuchshandballer fit zu halten.
Zwar läuft aktuell der Regeltrainings- und -spielbetrieb normal. Alle Hallensportarten finden statt mit dem Nachweis, dass die Athleten und Betreuer geimpft, genesen oder negativ getestet (3G-Nachweis) sind. Bei Outdoorsportarten ist sogar kein Nachweis erforderlich, solange man sich nicht länger in geschlossenen Räumen aufhält – zum Beispiel in der Umkleidekabine zum Umziehen und Duschen oder für Teambesprechungen. Doch nach der derzeit gültigen Corona-Verordnung Sport des Landes Baden-Württemberg hängt ein Damoklesschwert über dem gesamten Konstrukt Vereinssport. „Die Impfproblematik zieht sich nicht nur quer durch die Gesellschaft, sondern auch durch die Sportvereine“, analysiert Knodel von den TVV-Faustballern. Dies könnte noch zum Problem werden.
Wenn in Bezug auf den Stufenplan in der Corona-Verordnung Sport beispielsweise die Alarmstufe in Kraft tritt, bedarf es eines 2G-Nachweises. Dann dürfen nur noch Immunisierte und Genesene an Sportaktivitäten in Vereinen teilnehmen – egal ob indoor oder outdoor. In der darunter liegenden Warnstufe wird für den Indoor-Bereich bereits ein PCR-Tests gefordert. Sporttreiben für Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene könnte also schnell eine teure Angelegenheit werden – sowohl für Athleten als auch für Übungsleiter.
Schon jetzt werden die Kosten für einen Antigen-Schnelltest nicht mehr vom Staat übernommen, gehört man nicht zu einer Gruppe mit Ausnahmeregelung. Schon jetzt zahlt man pro Schnelltest zehn bis 25 Euro. Ein PCR-Test ist sogar noch um ein Vielfaches teurer.
Es steht zu befürchten, dass spätestens mit der Alarmstufe nicht nur einige Sportler nicht mehr zum Trainings- und Spielbetrieb zugelassen werden, sondern dass dann auch einige Übungsleiter ihr Engagement vorerst einstellen müssen – und das schon bei einem Mangel an Übungsleitern im Breitensportbereich, so dass nicht jede Trainingseinheit von jemand anderem übernommen werden kann. Die Folge ist – so ist zu befürchten –, dass sich Kinder und deren Eltern nach Sportvereinen in der Umgebung umschauen, in denen das Trainingsangebot nicht eingeschränkt ist. Davon kann Ackermann ein Lied singen. „Wir hatten vereinzelt Eltern, die die Mitgliedschaft ihrer Kinder im Verein gekündigt haben. Die Begründung war dann, dass sie keine Beiträge zahlen wollen, wenn kein Training stattfindet“, erklärt die Jugendkoordinatorin der SGM Vaihingen-Süd.
Quelle: Bericht Vaihinger Kreiszeitung vom 14.10.2021